Um den Werbungtreibenden an das unternehmenseigene programmatische System zu binden, wollen einige Unternehmen Sell- und Buy-Side in sich vereinen. Das aber ist nicht im Interesse des Kunden, sagt Gastautor Viktor Zawadzki, Geschäftsführer von MediaMath Germany
Das Marketing-Ökosystem leidet derzeit an zwei Entwicklungen, die sich unter dem Stichwort ‚Interessenkonflikt’ zusammenfassen lassen: Zum einen limitieren geschlossene Systeme wie Google’s Vermarkterplattform – so genannte „Walled Gardens“ – die Wirkungskraft der nutzbaren Daten. Zum anderen versuchen einige Unternehmen im automatisierten Handel sowohl die Sell- als auch die Buy-Side zu vertreten und geraten damit zunehmend zwischen die Fronten. Einen ähnlichen Konflikt erleben Unternehmen, die selbst Inventar anbieten, für Kampagnen aber auch externes Inventar zukaufen.
Walled Gardens: Wettbewerb auf Kosten der Werbetreibenden
Der Trend im Onlinemarketing geht hin zu zumindest einseitig geschlossenen Systemen – Werbetreibende können zwar Daten einspeisen, innerhalb der Systeme neu erhobene First-Party-Daten aus aktuellen Kampagnen jedoch nicht exportieren. Beispielsweise sind Informationen, die Werbetreibende über potenzielle und bekannte Kunden innerhalb von Kampagnen über den Vermarkter Google sammeln, nutzlos für Condé Nast oder Hearst. Das Beispiel illustriert den Interessenkonflikt, den Walled Gardens auf dem Rücken der Werbetreibenden austragen: Eigentlich ist das erklärte Ziel, Nutzer unabhängig von Kanal und Endgerät konsistent anzusprechen. Um den Werbetreibenden jedoch an das unternehmenseigene System zu binden, werden technisch machbare Schnittstellen nicht realisiert.
Das Grundprinzip bei der Optimierung von Kampagnen ist, dass keine gegensätzlichen Ziele definiert sein dürfen. Umso erstaunlicher ist es, dass noch immer Unternehmen versuchen, im automatisierten Handel sowohl die Sell-, als auch die Buy-Side zu vertreten. Das kann nicht funktionieren, da die Verkaufsseite versucht, einen möglichst hohen Preis zu erzielen, während die Buy-Side zum Ziel hat, relevante Werbeplätze möglichst günstig einzukaufen. Welches der beiden Ziele priorisiert ein Anbieter, der beide Seiten vertreten will?
Interessenkonflikt: Sell- und Buyside aus einer Hand
Der Teufel steckt auch an anderer Stelle im Detail: Der Kauf von Impressions durch einen unabhängigen Dritten ist weniger gefährdet, von fremden Interessen unterlaufen zu werden, als etwa der Einkauf über eine Plattform, die selbst Owned und Operated Inventory anbietet. Marketing Operating Systeme kaufen bei einem breiten Spektrum von Vermarktern nach den Prioritäten des Werbetreibenden ein. Hingegen haben Einkaufsysteme wie etwa von Google möglicherweise auch dann ein Interesse, eigenes Inventar zu bevorzugen, wenn sich der Einkauf von Impressions bei Facebook anbieten würde.
Langfristig werden die Werbungtreibenden über den Erfolg von Walled Gardens und den verschiedenen Anbietern von Marketing Technologie und den jeweiligen Interessenkonflikten per Budgetvergabe abstimmen: Wenden sie sich Anbietern zu, die solche Konflikte weitestgehend ausschließen, investieren sie in eine belastbare Grundlage für Marketingstrategien in den kommenden fünf Jahren.
Über den Autor: Viktor Zawadzki ist Geschäftsführer von MediaMath Germany. Der Diplom-Volkswirt war zuvor als CEO von Programmatic-Advertising-Anbieter Spree7 tätig, der 2015 von MediaMath übernommen wurde. MediaMath ist ein Marketing-Technologieunternehmen, das unter anderem 2007 die erste Demand Side Platform (DSP) vorstellte.
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